Falls jemand behauptet, keinen Kulturschock in einem asiatischen Land zu erleben, stimmt das zu 80% nicht. Bevor ich nach Taiwan ging, war ich relativ gelassen und super entspannt. Doch das änderte sich, als ich ankam.
Nach meiner 20-stündigen Reise saß ich mit Jetlag am Fenster meines Hotelzimmers, schaute mit Tränen in den Augen nach draußen und dachte, ich schaffe die nächsten fünf Monate nicht. Die Straßen waren voll mit Menschen, Rollern, Autos, leuchtenden Schildern und Food-Ständen. Es war laut, der Tag war sehr humid und bewölkt. Mein erster Eindruck: überfordernd.
Zwei Tage später zog ich in meine neue Wohnung. Balkon, Badezimmer und Schlafzimmer auf 30 qm. Nach und nach richtete ich mich gemütlich ein und muss sagen, dass ich die kleine, schlichte Wohnung doch ins Herz geschlossen habe. Hier in Hsin-chu kommen die meisten Menschen, um zu arbeiten, und am Wochenende fahren viele zu ihren Familien. Taiwan ist eine bedeutende Wirtschaftsmacht und einer der größten Produzenten von Halbleitern weltweit. In Hsin-chu befindet sich der weltbekannte Science Park mit führenden Halbleiterherstellern wie TSMC, MediaTek und vielen anderen. Ihr könnt euch vorstellen, wie der Verkehr morgens und abends zu den Stoßzeiten aussieht. Noch nie habe ich so viele Rollerfahrer auf einem Fleck gesehen. Roller sind hier ein Hauptfortbewegungsmittel – günstiger und schneller als Autos. Fünf Kilometer mit dem Roller sind 80% schneller als mit dem Auto. Man muss dazu sagen, dass Taiwaner nicht gerne zu Fuß gehen. Als ich meinen Kollegen erzählte, dass ich vom Hotel zur Arbeit laufe, waren sie schockiert – und wir sprechen hier von nur 15 Minuten zu Fuß.
Noch aufgefallen ist mir, dass es hier in Hsin-chu sehr schwer für Vegetarier und Veganer wird. 90% des Essens besteht aus Fleisch. Porkrice, Beef Noodle Soup, Chicken, Ente und vieles mehr. Wenn man sich jedoch etwas auskennt nach der Zeit, weiß man, wo es vegetarische Optionen gibt, und muss nicht jeden Tag Fleisch essen. Zudem haben Family Mart, 7-Eleven und Hi-Life eine gute und vielfältige Auswahl an Fertiggerichten, frischen Eiern und frischen Süßkartoffeln. Diese Convenience Stores sind wirklich praktisch und es gibt sie gefühlt alle 50 Meter. Es würde mich nicht wundern, wenn man Family Mart in den Bergen findet. Ich wünschte, wir hätten diese Stores in Deutschland. Sie sind 24/7 geöffnet und bieten alles: Getränke, Alkohol, Kaffee, Tee, Eis, Süßigkeiten, Fertiggerichte (frisch und gefroren), und morgens frische Tee-Eier, die in schwarzem Tee gekocht werden – superlecker. Man kann seine Wäsche dort waschen, Parkscheine bezahlen, Essen aufwärmen und vor Ort essen. Bei Kaffee und Tee kann man auswählen, ob man sie heiß oder kalt möchte. Es gibt leckere Sandwiches, Wi-Fi und Toiletten. Man könnte einfach in diesen Stores leben. Ein weiteres kulinarisches Highlight ist der Bubble Tea, der in Taiwan in den 1980er Jahren erfunden wurde. Es gibt unzählige Variationen, von Lemon Grass Jelly bis zu den berühmten Toro Balls, und ein großer Becher kostet nur 1,15 Euro. Man sieht überall Menschen mit Bubble Tea, sogar spät abends. Und für Sportler gibt es sogar Protein Bubble Drinks.
In den Städten gibt es hauptsächlich Wohngebäude mit kleinen Wohnungen, oft ohne Küchen. Auf dem Land gibt es häufiger Küchen, aber Kochen ist oft nicht nötig, da Essen gehen sehr günstig ist und die Convenience Stores alles bieten. Zum Vergleich: Eine Poké Bowl kostet hier nur zwei Euro.
Ein kleiner Minuspunkt ist die Tatsache, dass es schwierig ist, Mülleimer zu finden. Aber trotz der wenigen Mülleimer sieht man keinen Müll auf den Straßen. Die Gerüche in Taiwan sind teilweise sehr seltsam und es gibt ungewöhnliche Gewürze. Es dauerte einige Wochen, bis ich realisierte, dass der unangenehme Geruch von den “Stinky Tofu”-Ständen kam – der Geschmack ist übrigens sehr lecker!
Die ersten Wochen in Taiwan waren sehr überwältigend und herausfordernd. In Hsin-chu sprechen nicht viele Leute Englisch, aber man gewöhnt sich schnell an das neue Umfeld. Die ersten Wochen sind aufregend und superspannend, nach einem Monat fühle ich mich sehr wohl. Wenn etwas komplett anders ist, bedeutet es nicht, dass es schlechter oder nicht gut ist – es ist einfach anders.