Bevor es für mich Anfang September nach London ging, zählte der Macromedia-Blog wahrscheinlich zu meinen am häufigsten aufgerufenen Webseiten. Ich habe damals wahrscheinlich jeden einzelnen Eintrag über die University of Greenwich gelesen, um ein möglichst genaues Bild von dem zeichnen zu können, was mich hier erwarten würde. So hatte ich vor meiner Ankunft zwar schon eine imaginäre Liste von Orten, die ich unbedingt besuchen wollte – Was in diesen Einträgen aber nicht stand, waren die wundervollen Menschen, prägenden Erinnerungen und das völlig neue Lebensgefühl, was in London auf mich warten würde. Jetzt sitze ich selbst in meinem Lieblingscafe um die Ecke und schreibe meinen ganz eigenen Blogeintrag – in der Hoffnung, allen, die nach mir kommen, etwas beim Zeichnen helfen zu können.
Aber von vorne: Vor fast genau sechs Wochen ging mein Abenteuer mit einem Flug nach London los. Was ich hier jedem mit viel Gepäck empfehlen kann, ist, vorher einmal die Preise der Business Class zu checken – in meinem Fall war das nämlich günstiger, als noch ein Gepäckstück dazu zu buchen. Diesen Tipp habe ich selbst von einer Kommilitonin und er hat mir echt einiges an Geld gespart, was man in London mit Sicherheit besser gebrauchen kann. Ich bin so früh wie möglich in meine Student Accomodation eingezogen, was ich auch jedem ans Herz legen kann. Die ersten zwei Wochen bis zum Beginn der Vorlesungen Ende September können super mit IKEA-Einkäufen, Erkundungstouren oder den zahlreichen Welcome-Events gefüllt werden. So hat man, wenn die Uni losgeht, schon eine echt gute Orientierung in Greenwich und auch die Bucket List ist schon etwas kürzer. Wir haben zum Beispiel die typischen Touri-Attraktionen in den ersten zwei Wochen abgeklappert, weil mit der Zeit ganz sicher immer mehr „Hidden Gems“ dazu kommen, die es auch noch zu erkunden gilt. Und schließlich muss ja auch für die Uni noch etwas Zeit bleiben 😉
Die University of Greenwich hat insgesamt vier Wohnheime, die für uns Auslandssemesterstudenten in Frage kommen: Cutty Sark, Daniel Defoe, McMillan und Avery Hill. Bis auf Avery Hill, das ca. eine halbe Stunde mit dem Shuttle-Bus entfernt liegt, sind alle der drei anderen Wohnheime in Laufdistanz zum Unigelände. Überall gibt es Einzelzimmer und meistens auch eigene Badezimmer, was für mich persönlich eine sehr erleichternde Neuigkeit war. Ich habe mich vor meiner Abreise für Cutty Sark entschieden – das mit Abstand am zentralsten gelegene Wohnheim. Mit meiner Wahl bin ich auch heute noch sehr zufrieden, die Zimmer sind sauber und modern. Wenn ich mich allerdings nochmal entschieden müsste, fiele meine Wahl wahrscheinlich auf Daniel Dafoe. Dieses Wohnheim ist etwas größer und hat für meinen Geschmack etwas schönere Zimmer und vor allem Badezimmer (meins erinnert dahingegen eher an eine Zugtoilette). Nichtsdestotrotz sind die Wohnheime der beste Weg, neue Menschen kennenzulernen: Ob in der gemeinsamen Küche, beim Wäsche waschen oder im Innenhof.
Wenn ich über den atemberaubenden Campus zu einer meiner wenigen Vorlesungen laufe, kann ich auch heute noch nicht glauben, dass ich dort studieren darf, wo Bridgerton gedreht wird, der Wind der Themse weht und täglich Gruppen mit Touristenführern Fotos schießen. Leider passiert das aber nicht allzu oft in der Woche. Als Journalismusstudentin habe ich hier nur drei Module, ein weiteres muss ich online von der Macromedia belegen. Insgesamt habe ich also nur fünf Wochenstunden Unterricht, die sich in Vorlesungen und Tutorials teilen. Letztere sind übrigens auch eine super Möglichkeit, bei Gruppenarbeit und Diskussionen neue Leute kennenzulernen.
Obwohl ich also nur vergleichsweise wenig Zeit in Vorlesungssälen verbringe, hat die Uni dafür unglaublich viele extracurriculare Angebote. Schon vor Unistart gibt es eine riesige Welcome Fair, bei der sich alle Clubs und Societies vorstellen. Das hat mich sehr an die typischen amerikanischen College-Filme erinnert, weil von Cheerleading über Football bis hin zur Christlichen Society wirklich für jeden etwas dabei ist. Ich habe mich für Tennis und (als vorbildliche Journalismusstudentin natürlich) für den Greenwich Daily, die Unizeitung, entschieden. Mehr als zwei Clubs könnte ich aber wahrscheinlich auch nicht mit dem Workload der Uni vereinbaren. Denn trotz der wenigen Unterrichtsstunden ist die Selbstlernzeit schon etwas höher. Dazu kommt auch noch die Sprachbarriere und völlig neue Lernsysteme (Blackboard ist hier ein Fremdbegriff). Außerdem muss ja auch noch die Wäsche gewaschen, eingekauft und geputzt werden.
Weil ich das vorher auch nicht ganz verstanden habe, jetzt einmal ganz deutlich: Greenwich ist ein Stadtteil in London, kein eigener Ort oder Vorort. Trotzdem fühlt es sich manchmal so an wie eine ganz eigene Community – viel behüteter und süßer als die hektische und oft gefährliche Innenstadt. Vor allem unter der Woche sind die Straßen hier mit Studenten gefüllt, der Greenwich Market verströmt einen Geruch von allen möglichen Köstlichkeiten und bei einem Bummel durch die Straßen trifft man oft ein oder zwei bekannte Gesichter. Am Wochenende mischen sich dann allerdings wirklich viele Touristen unter die Menge, die sich das berühmte Schiff der Cutty Sark, das Unigelände oder den Null-Meridian anschauen möchten.
Ich habe Greenwich mittlerweile sehr ins Herz geschlossen, obwohl ich mindestens auch einmal pro Woche in die Londoner Innenstadt fahre (mit der Bahn dauert das ungefähr eine halbe Stunde) und ich weiß jetzt schon, dass mir Greenwichs Charme mit seinen kleinen Boutiquen und Märkten ganz schön fehlen wird.