Jeong (정) und Bballi-Bballi (빨리–빨리) – zwei Ausdrücke, die die südkoreanische Kultur perfekt beschreiben. Doch was steckt hinter der koreanischen Mentalität und wie sieht das Leben in Seoul eigentlich aus? Worin bestehen die Unterschiede zur deutschen Lebensart? Ein paar Einblicke in die Lebensweise der Metropole…
Erste Unterschiede: Klima, Treppensteigen, Essenskultur und Sicherheit
Das allererste, das einem beim Verlassen des Incheon Flughafens begegnet ist die drückende Hitze. Als meine Mitbewohnerinnen und ich Ende August in Seoul ankommen ist gerade Mittsommer, das bedeutet jeden Tag schwül-heisse Temperaturen und eine enorme Luftfeuchtigkeit, was uns einige Tage zur Anpassung an dieses Klima gebraucht hat. Überraschenderweise sind wir als Ausländer mit diesem Problem des Wetters allein, denn die meisten Koreaner tragen selbst an solch heißen Tagen langärmlig, um sich vor der Sonne zu schützen, was uns natürlich jedesmal in Erstaunen zurücklässt.
Ein zweites Phänomen, das uns Touristen schnell zum Schwitzen bringt sind die unzähligen Treppen und Hügel. Egal ob zur U-Bahn oder einfach nur zu einem Cafe – Südkoreas Topographie ist zu 70% gebirgig, weshalb man hier mit flachen Schuhen definitiv besser aufgehoben ist! In den ersten paar Tagen hatten wir jeden Tag Fußschmerzen von dem vielen Laufen, aber das nimmt man gern in Kauf, weil es hier einfach so unglaublich viel zu sehen gibt!
Seit unserer Ankunft in Seoul sind bereits zwei Wochen vergangen, aber es fühlt sich schon so viel länger an, weil wir nahezu jeden Tag unterwegs sind, ob zum Shoppen gehen, Sightseeing in anderen Stadtvierteln oder einfach nur zum spontanen Essengehen. Die Auswahl an leckeren Restaurants oder sogar Food-Märkten mit lokalen Köstlichkeiten ist hier so groß, dass es sich lohnt sich spontan vor Ort umzuschauen und auszuprobieren. Koreaner legen sehr viel Wert auf das Essen, weshalb die typische Begrüßung hierzulande zum Beispiel nicht lautet „Wie geht es dir?“ sondern „Hast du schon gegessen?/ 벌써 먹었어? “. Essengehen ist hier übrigens auch viel billiger, als einkaufen, vor allem die Preise für Fleisch, Gemüse und Obst sind im Supermarkt enorm hoch. Woran man leider weder beim Essengehen, noch Essen kaufen vorbei kommt ist, dass Koreaner gern süß essen. Also wundert euch nicht, wenn ihr denkt ein herzhaftes Sandwich oder ein Salt Bread zu bestellen und es beim Probieren dann plötzlich süßlich schmeckt. Gerade für uns Europäer ist das sehr gewöhnungsbedürftig im ersten Moment.
Woran wir uns ebenso noch nicht richtig gewöhnt haben ist Seouls‘ Mülltrennung. Ein Thema für sich, denn die Koreaner sind da sehr genau und verlangen für jede Art Müll eine eigene Tüte, die auch noch bezirksgebunden beschriftet ist. Was uns als Deutsche hier sehr verwirrt hat war der Fakt, dass Papier und Plastik in denselben Sack geworfen werden und jede Art Müll entgegen der Umweltfreundlichkeit in Plastiktüten entsorgt werden muss, denn andernfalls drohen hohe Geldstrafen von umgerechnet bis zu 680 Euro. Ebenso wenn der Müll am falschen Tag oder zur falschen Uhrzeit hinausgebracht wird. Und dieses System funktioniert hier hervorragend gut aufgrund der ständigen CCTV- Überwachung selbst in den kleinsten Gassen Seouls‘. Das ist beispielsweise auch der Grund, weshalb man in der Öffentlichkeit ganz unbeaufsichtigt seine Sachen liegen lassen kann, ohne Angst zu haben, dass sie gestohlen werden. Was die Sicherheit angeht liegt Südkorea auf jeden Fall sehr weit vorn und man muss sich auch abends, wenn man noch spät unterwegs ist keine Sorgen um sein Wohlergehen machen.
Das Korea hinter der Fassade: Ethos und Werte
Doch hinter all den Aspekten, die wir in den ersten Wochen schon erkennen konnten liegen tief verwurzelte Glaubensansätze und eine Mentalität, die ganz anders ist als wir Deutsche es kennen. Mein jetzt schon liebster Ausdruck ist „Jeong/정“ – ein Gefühl der Wärme, Geborgenheit und Herzlichkeit, die einen als Ausländer sich trotz der Entfernung zur Heimat wie Zuhause fühlen lässt. Jeong lässt sich nicht beschreiben, sondern nur erfahren. Dazu gehört zum Beispiel, dass Koreaner dir auf einem Food Market etwas kostenlos zum Probieren anbieten und dir sogar freiwillig mehr geben; Jeong, das ist, wenn du einen Fremden fragst, ob er dir bei einer Wegbeschreibung helfen kann und anstatt es dir zu zeigen mit dir zusammen dorthin läuft, unabhängig von der Richtung, in die er gemusst hätte.
Was mir besonders gefällt ist, dass Koreaner ein sehr höfliches, respektvolles und hilfsbereites Volk sind. Sie sehen die Öffentlichkeit als das Eigentum aller an, weshalb man hier nur selten verschmutzte Straßen findet. Außerdem ist ihre Arbeitsmentalität ganz anders, Koreaner arbeiten rund 60h/Woche und auch länger, wodurch reguläre Öffnungszeiten von Geschäften länger gehen als nur 20 Uhr, so wie wir es gewohnt sind. Besonders praktisch sind die Convenience Stores, die rund um die Uhr von Kleidung über Essen und Hygieneprodukte alles anbieten. Wir legen fast jeden Morgen dort einen Stopp ein, um uns ein eisgekühltes Getränk zu gönnen.
Einen grossen Einfluss spielt hier die Bballi-Bballi-Kultur (빨리–빨리), was so viel bedeutet wie “Schnell-schnell” – ein Ausdruck, den man hier ganz oft hört. Natürlich ist so eine Metropole wie Seoul auf Schnelligkeit und Effizienz angewiesen bei fast 9,7 Mio. Einwohnern. Es bringt aber auch einfach viele Vorteile mit sich, wie zum Beispiel, das man nie länger als 10 min auf eine U-Bahn warten muss und die U-Bahnen fahren so schnell, so dass man bequem von einem Viertel in ein anderes fahren kann. Generell sind die Wartezeiten hier einfach überall viel kürzer und man spart unfassbar viel Zeit.
Ich kann es kaum erwarten noch länger Zeit in Seoul zu verbringen und freue mich schon auf meine nächsten Monate. Dazu dann mehr in meinen folgenden Blogeinträgen.
Für mehr bildliche Eindrücke zu meinem Auslandssemester könnt ihr mir auch gern auf meinem Instagram-Kanal unter @_alicialy folgen!